One Woman Band 1

Die Frau der ONE WOMAN BAND

Dorrit Bauerecker ist die "One Woman Band". Hier stellt sich die Multiperformerin im Interview vor.

Du hast dein Programm im Untertitel als „Experimental Music Circus“ bezeichnet. Wie viel „Zirkus“ steckt in deinem Konzertabend, den wir am 11. November in der Tonhalle erleben?

Nach einer Aufführung des Programms habe ich mal eine schöne Rückmeldung von jemandem aus dem Publikum bekommen. Der sagte: „Ich habe als Kind im Zirkus unglaubliche Inszenierungen und außergewöhnliche Nummern wie im Traum ausgekostet, und die Art deines Spiels hat bei mir solche Assoziationen wieder aufgeweckt.“

Mein Programm ist extrem facettenreich, worin eine Ähnlichkeit zum Zirkus besteht. Es bietet eine Mischung aus Präzision und Virtuosität, Grenzüberschreitung und Verzauberung. Es ist auch ein Parcours zwischen Musikgenres, Lautstärken, Atmosphären und Instrumenten. Außerdem gibt es Ironie und kabarettähnliches, aber auch Momente des Hineinhorchens und der gesellschaftlichen Reflexion.

Nomen es Omen – dein Soloprogramm impliziert tatsächlich eine ganze „Band“, weil du als Performerin nicht nur am Klavier, sondern ebenso am Akkordeon, am Toy Piano und an allen möglichen anderen Klangerzeugern spielst. Ist Multitasking etwas, was du nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Alltag erfolgreich praktizierst?

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Multitasking kenne ich aus dem Alltag, vor allem aus meiner Arbeit als freiberufliche Musikerin, wo immer vieles gleichzeitig mitgedacht werden muss. Gerade, wenn man eigene Produktionen macht, hat man mit verschiedensten Ebenen gleichzeitig zu tun. Das ist auch ganz schön herausfordernd. Vielleicht hat es mich deshalb gereizt, mich einmal künstlerisch mit Multitasking auseinanderzusetzen und damit zu einer Art Akrobatin am Instrument zu werden.

Dein Soloprogramm zeigt, dass du die Bühne nicht nur für die Musik und deine Interpretationen nutzt, sondern immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten bist, die die Musik letztlich erweitern. Ist dir „nur Musik machen“ inzwischen zu wenig?

In der Tat ist es so, dass ich seit Jahren beim Gestalten von Konzertprogrammen immer mehr auch andere Parameter berücksichtige, wie z.B. das Licht und den Raum. Die Atmosphäre eines Raumes beeinflusst ja die Zuhörer. Ich finde, das sollte man sich bewusst machen, dafür sollte man ein Gespür entwickeln und auch mal mit guten Leuten zusammenarbeiten, die davon Ahnung haben. Wie weit man dann letztendlich geht, hängt natürlich von der Musikauswahl ab.

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In Hinblick auf deinen Anspruch an das performative Moment in deinem Programm – wie bist du bei der Stückauswahl bzw. bei der Auswahl der Komponisten vorgegangen?

Ich habe bewusst Stücke gesucht, die mit Elementen aus den Unterhaltungsgenres spielen. Aus der Perspektive von klassischer neuer Musik heraus nach diesen Schnittstellen zu suchen, war mir ein besonderes Anliegen. Ich habe dann auch mehrere Stücke in Auftrag gegeben, zunächst bei Oxana Omelchuk und Niklas Seidl. Da sind Akkordeonstücke entstanden, die keine reinen Akkordeonstücke sind, sondern mit der Idee der One Man/ Woman Band verbunden und durch Keyboards, Melodica, Sprache, performative und choreographische Elemente erweitert sind.

2020 sind dann nochmal zwei neue Klavierstücke von Moritz Eggert dazugekommen: "One Woman Band" und "Dual Band", in denen das performative Moment eingewoben ist, wie bei sehr vielen Stücken von Moritz. Das Toypiano reizte mich, weil es der Exot unter den Instrumenten ist und eine ganz andere Farbe in das Programm bringt. Es gibt eine Reihe von Komponisten und Komponistinnen, die bereits Stücke für Toypiano geschrieben haben, und da bin ich fündig geworden.

 

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Von Moritz Eggert hast du nicht nur mehrere Stücke an Bord, vielmehr holst du ihn zum großen Finale auch als Duopartner mit auf die Bühne. Sind seine Werke so etwas wie die Initialzündung bzw. Inspiration für dein Programm „One Woman Band“ gewesen?

Ja, so war das. Ich habe Moritz vor vielen Jahren mit seinem Hämmerklavierzyklus live gehört und war erstmal perplex über die völlig andere pianistische Herangehensweise in seinen Kompositionen. Seine Grenzüberschreitungen sind auf jeden Fall eine Inspirationsquelle gewesen. Da ich selber musikalisch sehr unterschiedlich sozialisiert bin - am Akkordeon war es zunächst die Unterhaltungsmusik und am Klavier die klassische ernste Musik - sind neue Ideen entstanden, beides zusammenzuführen.

Ein großes Dazu sind außerdem das Konzept und die Bühneneinrichtung von Chris Grammel. In der Rotunde der Tonhalle setzen wir tragbare Scheinwerfer ein, die im Verlauf der Aufführung den Ort wechseln und unterschiedliche Blickachsen des Raumes hervorheben werden. Dafür haben wir den Tänzer Adrián Castelló dazu geholt, der der Inszenierung eine ganz neue Bewegungsebene hinzufügen wird. Moritz wird neben dem großen Finale auch noch für ein paar Überraschungsmomente sorgen…

Und woran arbeitest du gerade, gibt es neue Pläne – noch mehr „One Woman Band“?

Pianistin und Akkordeonistin Dorrit Bauerecker
Ich hatte gerade eine sehr intensive Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Barbara Schachtner von INTERSTELLAR 2 2 7 und dem Maler und Szenographen Norbert van Ackeren. Auch hier stand das Verhältnis von Musik und Raum im Zentrum der Arbeit und verlangte von uns ein hohes Maß an Multitasking. Ein neues Soloprogramm möchte ich schon gerne wieder in Angriff nehmen. Da wechseln die Ideen noch und wieviel One Woman Band dabei sein wird, das ist noch offen.

Das Interview führte Ariane Stern / Tonhalle Düsseldorf.
(Fotos: Susanne Diesner, Michael Zerban, Dovile Sermokas.)