Joseph Haydn: "Oxford"-Symphonie

Joseph Haydn: "Oxford"-Symphonie

Marita Ingenhoven
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Marita Ingenhoven

Anders als viele Künstler war Haydn bereits zu Lebzeiten ebenso berühmt wie vermögend. Die „Oxford-Symphonie“ trägt diesen Ruhm bereits im Namen: Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde sie im Juli 1791 gespielt, als Haydn die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford verliehen bekam. Haydns Schöpferkraft sprengte bekanntlich alle Grenzen: 107 Symphonien, 52 Klaviersonaten, 83 Streichquartette, 46 Klaviertrios, 14 Messen, 6 Oratorien und 24 Opern entspringen seiner Feder. Doch nicht die schiere Masse an Kompositionen, vielmehr seine Vielseitigkeit und die Souveränität, mit der er in den beiden zentralen Gattungen der musikalischen Klassik, der Symphonie und dem Streichquartett, künstlerische Maßstäbe setzte, machten ihn zu einer Lichtgestalt seiner Zeit. Ohne sie wären die anderen Lichtgestalten Mozart und Beethoven kaum zu denken.

Den größten Teil seiner Karriere, die Jahre von 1761 bis 1790, arbeitete Haydn als Hofmusiker der hochkultivierten und sehr wohlhabenden ungarischen Fürstenfamilie Esterházy. Als seine Anstellung durch den Tod des Fürsten endete, folgte Haydn einem Ruf nach England, wo er seine Symphonien mit großem Orchester unter besten Bedingungen aufführen konnte, was ihm enorme Anerkennung und beachtlichen Reichtum einbrachte. Publikum und Presse feierten ihn gleichermaßen frenetisch. Gekrönt wurde Haydns Triumph durch eine akademische Würdigung, als der Komponist 1791 zum Ehrendoktor der Universität Oxford ernannt wurde. Es war bei weitem nicht die einzige Auszeichnung, mit der er sich schmücken konnte – Ehrungen in u. a. Wien, Paris und St. Petersburg sollten folgen. Doch es war wohl seine wichtigste. Jahre später erinnerte sich Haydn an die Bedeutung, die der Doktorhut damals für ihn hatte. „Ihr hatte ich alles zu verdanken; durch sie trat ich in die Bekanntschaft der ersten Männer und hatte Zutritt zu den größten Häusern.“

Bei der Verleihungszeremonie konnte nun natürlich nicht irgendeine Komposition des verehrten Genies gespielt werden, vielmehr musste es eine sein, die eines „Doktors der Tonkunst” würdig war. Haydns Wahl fiel auf seine 92. Symphonie, die er 1789 als „Nachlieferung” zu den „Pariser Symphonien” für die Pariser Loge „Olympique“ geschrieben hatte. Sie besticht durch Schwerelosigkeit und Transparenz und wirft bereits einen Schatten auf die nachfolgenden berühmten „Londoner Symphonien” voraus. Schon ihre erste Aufführung im März 1791 in London war ein großer Triumph. Das Adagio – es gilt bis heute als einer der berühmtesten langsamen Sätze Haydns – kam so gut an, dass es wiederholt werden musste, und die ebenfalls vom Publikum verlangte Wiederholung des Menuetts scheiterte ausschließlich an der Bescheidenheit des Komponisten.

Franz Joseph Haydn, Sinfonie No. 92, G-Dur (Oxford)
Länge: 20 Min.

Foto: Brasenose College, Oxford University (c) Matthew Waring, Unsplash