»Es ging schon gut los, als wir am Rasthof Medenbach unseren zusteigenden Solo-Trompeter aufnahmen und wir dort, bereits beim Ausfahren, den Bus der DEG sahen. Mit genau diesem Bus war unser U16-Orchester 2018 in Frankreich, auch derselbe Fahrer saß am Steuer. Wir hielten sofort wieder an und tauschten uns aus – der Eishockeyclub war auf dem Weg ins Trainingslager in Brixen. Ein zweistündiger Stau rund um Lugano und Chiasso forderte uns starke Nerven ab und wir kamen erst um 22 Uhr an unserem Ziel an. Die einzige noch geöffnete Pizzeria in Sabbioneta machte wohl das Geschäft ihres Lebens und hielt das in zahlreichen Handy-Filmchen fest. Für uns packten sie sogar ihre rudimentären Deutsch-Kenntnisse aus.
Am nächsten Morgen folgte eine sehr harte und heiße Probe im Teatro Olimpico in Sabbioneta, einem herrlichen Renaissance-Bau aus dem 16. Jahrhundert. Da wir den Nachmittag frei haben wollten, probten wir ohne Pause. Das war überhaupt nur möglich, weil in den vergangenen Jahren die hitzeverbreitenden Niederspannungs-Scheinwerfer durch LEDs ersetzt worden sind. Nach einem sehr leckeren zweigängigen Menü erkundeten wir das kleine verschlafene Städtchen und aßen abends wieder in einer Pizzeria.
In Sabbioneta scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. So bekommen wir seit unserem ersten Besuch 2013 den Kaffee für 1 Euro, auch das Cornetto dazu kostet nach wie vor 1 Euro. Die Preise in den von uns besuchten Restaurants liegen trotz hoher Inflation bei 15 Euro für ein Zwei-Gänge-Menü. Das Einzige, das sich geändert hat, ist der Einzug der LED-Lampen im Teatro.
In der Bar am Marktplatz, wo wir immer frühstücken, haben wir vier alte Tonhallen-Plakate vom Familienmusikfest und Big-Bang-Konzerten gefunden, die dort an den Wänden im Sitzbereich hängen – wie die da wohl hingekommen sind? Wir haben offensichtlich einen Fan-Club in Italien!
Am Abend besuchten wir im Rahmen des Festivals ein Lautenkonzert mit dem britischen Theorbisten und Lautenisten Sam Chapman und seinen Studierenden. In einer Besetzung mit vier Gesangsstimmen, drei Theorben und einer Barockgitarre spielten sie ausschließlich Musik der italienischen Renaissance und ernteten dafür langanhaltende Standing Ovations. Die Latte für unser eigenes Konzert am folgenden Abend lag hoch …
Am nächsten Tag, unserem Konzerttag, haben wir bewusst gechillt, spät zu Mittag gegessen, Siesta gehalten und Energien gesammelt. Es gab eine Anspielprobe mit der Sängerin Adriana Cicogna. Auch Sam Chapman war mit einer Studentin bei der Probe, da sie bei unserem Konzert ein Lauten-Continuo spielten. Das ist schon beeindruckend, wenn da zwei 2,5 Meter lange Theorben mitten im JSO sitzen und alles verwandeln. Wir haben viel gelernt, denn Chapman hat viel Wissenswertes erzählt.
Vor dem Konzert zog eine beachtliche Gruppe in historischen Kostümen mit Landsknecht-Trommeln, Fanfaren-Trompeten, vier Fahnenschwingern und Damen und Mädchen in Gewändern der Renaissance durch die Stadt, die viel Aufmerksamkeit erzeugten, das Publikum ähnlich dem Rattenfänger von Hameln ins Teatro lotsten und dort genau um 21 Uhr ankamen. Es wurde ein tolles, sehr emotional erlebtes Konzert. Auf dem Programm stand ausschließlich Bach: die Kantate 170 ›Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust‹, das Doppelkonzert für zwei Violinen und die 4. Orchestersuite. Als Hommage an unseren Gastgeber trugen die JSO-Mitglieder Konzertkleidung in den Farben der italienischen Tricolore.
Unsere Sängerin, die Mezzosopranistin Adriana Cicogna, verabschiedete sich mit diesem Konzert in ihren Ruhestand. Das JSO war wieder einmal in Hochform und lieferte einen ganz großen Abend. Es überzeugte gleichermaßen in seiner Professionalität, mit seinem so energetisch geladenen Schwung und Rhythmus und agierte bewundernswert als Gruppe. Das gesamte Orchester wurde zum anschließenden Sponsoren-Empfang bei Sekt und Häppchen eingeladen. Und um Mitternacht saßen wir dann wieder im Bus Richtung Heimat …
Für uns ist die Saison 2022/2023 genial gestartet – und wir tun alles dafür, dass es so weitergehen möge!«
(22. September 2022)