Die »schottische Nebelstimmung« ist es, die Felix Mendelssohn Bartholdy in seiner dritten Symphonie einfangen wollte. Damit beschreibt er eine Sehnsucht des »romantischen« 19. Jahrhunderts: Die schottisch-archaischen Ossian-Sagen James Macphersons und die Dichtungen Walter Scotts waren zu jener Zeit en vogue und Grund genug für viele Menschen, die schottischen Highlands zu bereisen und ihre düstere Geschichte zu erkunden.
Zwar in Briefen von ihm so genannt, wurde der Name »Schottische Symphonie« von Mendelssohn doch nie autorisiert – schließlich erzählt die Musik nur assoziativ von den Eindrücken seiner Schottland-Reise 1829. Insbesondere der abendliche Besuch der zerfallenen Schlosskapelle am schottischen Hof inspirierte den damals 20-jährigen Komponisten. Schließlich war dies der Ort, an dem 1566 der Königin-Günstling David Rizzio vor den Augen Maria Stuarts brutal ermordet wurde und Mendelssohn gut 260 Jahre später den Anfang seiner Schottischen Symphonie fand. Nach dreizehnjähriger Arbeit wurde diese schließlich 1842 in Leipzig uraufgeführt.
Trotz Mendelssohns Verzicht auf ein außermusikalisches Programm wird in Zusammenhang mit der Dritten oft von »schottischen Elementen« gesprochen: etwa die Imitation eines Dudelsacks im 2. Satz oder das Bild einer Schlacht im 4. Satz. Ohne Vorwissen ist es jedoch schwierig, explizite Programmatik zu finden, wie Robert Schumann bewies, der das Stück in einer Rezension mit Mendelssohns »Italienischer« verwechselte und darin »jene alten im schönen Italien gesungenen Melodien« heraushörte.
Musikalisch kann das Werk als Inbegriff einer romantischen Symphonie gesehen werden, mit der Ausnahme, dass die vier Sätze attacca, also ohne Pause, erklingen. Dennoch können sie auseinandergehalten werden: Auf den düster-melancholischen ersten Satz folgt ein teils pentatonisches Scherzo. Und nach dem kantablen dritten Satz endet das Stück mit einem apotheotischen Schlusssatz.
Die »Schottische« fängt also, wenn schon nicht explizit, so zumindest implizit romantische Bilder Schottlands ein, die beim Hören durchaus mit »schottischer Nebelstimmung« vor dem inneren Auge komplementiert werden können.