Antonín Dvorák: Symphonie Nr. 9

Antonín Dvorák: Symphonie Nr. 9

„Aus der Neuen Welt“

Marita Ingenhoven
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Marita Ingenhoven

Als Dvorák im September 1892 zum ersten Mal amerikanischen Boden betrat, war er sofort von der Größe des Landes und speziell von New York beeindruckt. Jeannette Thurber, Präsidentin des National Conservatory of Music, hatte ihm den Posten des Direktors eben dieser Institution angeboten. Sie erhoffte sich, dass er die Emanzipation Amerikas von der Vorherrschaft der europäischen Kunstmusik vorantreibe und hatte sicherlich keine schlechte Wahl getroffen: „Wenn das angeblich kleine tschechische Volk solche Musik habe, warum sollten sie es nicht haben, wo doch Land und Volk so riesig sind!“, schrieb Dvorák im November des gleichen Jahres.

Beeinflusst von gesellschaftlichen und musikalischen Eindrücken dieser „neuen Welt“ komponierte er noch in seinem ersten amerikanischen Jahr seine Neunte: „Gerade jetzt beende ich eine neue Sinfonie. Sie bereitet mir viel Freude und wird sich von meinen früheren ganz wesentlich unterscheiden. Den Einfluss von Amerika muss ein jeder, der Gespür hat, herausfühlen.“ Das Werk wurde am 16. Dezember 1893 von den New Yorker Philharmonikern unter der Leitung von Anton Seidl mit sensationellem Erfolg uraufgeführt. Der „New York Herold“ schrieb tags darauf: „Von allen Seiten erklang stürmischer Beifall. Alle blickten in die Richtung, in die der Dirigent schaute. Es war eindeutig, wohin sich alle Blicke wandten. Im ganzen Saal erhob sich ein begeisterter Ruf: ‚Dvorák, Dvorák!‘"

Die Symphonie ist gleichermaßen von alten wie neuen Eindrücken geprägt: Die Pentatonik, die besonders die berühmte Englischhorn-Melodie im Adagio prägt, ist sowohl in der slawischen wie in der amerikanischen Volksmusik zu finden, auch die vielen Synkopen im Kopfsatz reflektieren böhmische Folklore genauso wie Negro-Spirituals. Dennoch war es Dvořák wichtig zu betonen: „Aber den Unsinn, dass ich indianische oder amerikanische Motive verwendet hätte, lassen Sie aus, weil das eine Lüge ist. Ich habe nur im Geiste dieser amerikanischen Volkslieder geschrieben.“ Und diesen Geist kannte er gut, studiert Dvořák in den USA doch nicht nur die Lieder der amerikanischen Kultur, sondern begab sich auf seinen regelmäßigen Spaziergängen im Central Park und in der Hafenanlagen New Yorks auch viel unters Volk.

Welcher Heimat diese Klänge auch immer gewidmet und aus welchen Quellen sie gespeist sind – Dvořák hat in seinem letzten Orchesterwerk Aufbruch und Melancholie so eindringlich verbunden, dass sich wohl niemand der emotionalen Kraft dieser Musik entziehen kann. In Tschechien und in den USA stiftet sie aber natürlich besonders viel Identifikation. Ob als Erkennungsmelodie von „Radio Prag International“ oder als Reisebegleiter in historischer Mission: Im Juni 1969 nahm Neil Armstrong eine Aufnahme der Symphonie mit auf den Mond.

Antonin Dvorák, Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der neuen Welt“
Länge: 45 Minuten