Joseph Haydn: Sinfonia concertante

Joseph Haydn: Sinfonia concertante

Für Oboe, Fagott, Violine und Violoncello

Marita Ingenhoven
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Marita Ingenhoven

Kaum zu glauben, dass ein Hofkapellmeister, der über 30 Jahre treu und ergeben ein und demselben Fürstenhaus diente und dabei abseits vom Puls der Zeit in tiefster Provinz nur für seine Hofkapelle komponierte, so große europäische Berühmtheit erlangte, wie es Joseph Haydn widerfahren ist. Zwar konnte Haydn selbst nicht heraus aus seinem „goldenen Käfig“, dem Schloss Esterháza im heutigen Eisenstadt. Aber seine Musik bahnte sich ihren Weg – vor allem durch die Musiker seines Orchesters, die auf ihren Reisen durch Europa Haydns Musik Flügel verliehen. Haydns Ruhm verbreitete sich rasch. Als Haydns langjähriger Dienstherr Fürst Nikolaus Esterházy dann 1790 starb, löste sein Nachfolger Paul Anton II., der so gar keinen Sinn für Musik hatte, die Hofkapelle binnen weniger Tage auf.

Auch wenn Haydn weiterhin seinen Kapellmeistertitel führen durfte und mit einer stattlichen Pension ausgestattet wurde, war er doch aller dienstlichen Verpflichtungen enthoben – und war frei! Und es dauerte nicht lang, bis es an seiner Tür klopfte: „Ich komme, Sie abzuholen.“ Johann Peter Salomon, berühmter Geiger und erfolgreicher Konzertunternehmer aus London, nutzte die Gunst der Stunde und machte Haydn ein lukratives Angebot: Für jedes seiner Londoner Konzerte dürfe Haydn eine neue Symphonie komponieren und sie selbst aufführen. Haydn zögerte nicht lange und zerschlug die von seinem Freund Mozart hervorgebrachten Bedenken, er könne sich im fernen England womöglich gar nicht verständigen, mit dem berühmt gewordenen Satz: „Meine Sprache versteht man in der ganzen Welt!“

Schon um den Jahreswechsel 1790/91 reist Haydn das erste Mal nach London und blieb bis zum Sommer 1792. Um seine Auftritte entwickelte sich ein regelrechter Hype, Haydn war der Star der Szene. 1794/95 folgte eine zweite, noch erfolgreichere Reise. Der künstlerische Ertrag der britischen Gastspiele gipfelte in den zwölf „Londoner Symphonien“. Doch für England schrieb Haydn auch ein Solitär in seinem Werkverzeichnis: die „Sinfonia concertante“ für Oboe, Fagott, Violine, Violoncello und Orchester. Sie verdankt ihre Existenz einem von Londoner Boulevard-Blättern heftig befeuerten Wettstreit zwischen zwei Komponisten: Gleich nach Haydns erster Londoner Konzertsaison hatte das Konkurrenz-Unternehmen zu den Salomon-Konzerten, die „Professional Concerts“, den ehemaligen Haydn-Schüler Ignaz Pleyel als Komponist engagiert. Dieser hatte im Februar 1792 im Rahmen der „Professional Concerts” eine „Sinfonia concertante” für sechs Soloinstrumente und Orchester uraufgeführt, eine musikalische Form, die seinerzeit in Pleyels Wirkungsstätte Paris sehr populär war. Sofort beauftragte Salomon seinen Star, mit einem ähnlichen Stück zu kontern. Und Haydn arbeitete mit Hochdruck. „Ich bin bemüßigt, mir alle erdenkliche Mühe zu geben“, schrieb er nach Wien. „Es wird einen blutig harmonischen Krieg absetzen zwischen dem Meister und Schüler, man fängt an, in allen Zeitungen davon zu sprechen.“

Nur wenig mehr als eine Woche nach der Uraufführung von Pleyels Werk kam auch Haydns Sinfonia concertante heraus, die Salomon selbst als Geiger ins beste Licht rückte. So ist der Part der Solo-Violine gegenüber den drei anderen Soloparts leicht bevorzugt – etwa zu Beginn des 3. Satzes, wo der Geiger wie ein Sänger in der Oper auf das entschlossene Unisono des Orchesters mit einem solistischen Rezitativ antwortet. Ansonsten aber hat es Haydn bestens verstanden, die verschiedenen Klangkombinationen des Solisten-Quartetts gleichberechtigt auszunutzen. Wie sein Titel bereits verrät, vermittelt das Werk zwischen Symphonie und Konzert und vereint das Beste aus zwei Welten. So beginnt der 1. Satz nicht konzertant auftrumpfend, sondern mit einem dezent-höflichen piano im Tutti, aus dem das Soloquartett peu à peu heraus erwächst. Im 2. Satz umgeht Haydn das traditionelle Wechselspiel von Soli und Orchester und schreibt ein fast kammermusikalisches Stück mit sparsamster Unterstützung des Orchesters. Das Ideal des kommunikativen Gebens und Nehmens prägt nicht nur diesen Satz, sondern auch das Finale, in dem alle vier Solisten zusammen und nacheinander Gelegenheit zur solistischen Entfaltung vor ihren stets zustimmend einfallenden Orchesterkollegen erhalten.

Mehr noch als Pleyels Komposition wurde Haydns Novität zu einem Londoner Hit. „Eine neue ‚Concertante’ von Haydn verband alle Vortrefflichkeit an Musik“, schrieb der „Morning Herald“ nach der Premiere. „Sie war tiefgründig, lebhaft, anrührend und originell.“ Und Haydn und Pleyel? – Die verstanden sich von Anfang an bestens und trafen sich in London oft zum Essen. „…allein, mir scheint, es wird bald Allianz werden, weil mein credit zu fest gebaut ist. Pleyel zeugte sich bei seiner ankunft gegen mich so bescheiden, daß er neuerdings meine liebe gewann, wür werden unseren Ruhm gleich theillen und jeder vergnügt nach hause gehen.“ Insofern: Eine gelungene PR-Aktion für beide!

Joseph Haydn, Sinfonia concertante B-Dur für Oboe, Fagott, Violine und Violoncello
Länge: 22 Minuten