Beethoven: Symphonie Nr. 4

Beethoven: Symphonie Nr. 4

Marita Ingenhoven
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Marita Ingenhoven

Robert Schumann charakterisierte Beethovens Vierte einmal als die „griechisch schlanke Maid zwischen zwei Nordlandriesen“. Besonders im Vergleich zu den monumentalen Architekturen der Dritten und Fünften – die er 1806 weitgehend parallel zur Vierten schrieb – ist dies ein sehr treffendes Bild. Denn die Leichtigkeit und Flexibilität, mit der Beethoven hier auf der Klaviatur der Ausdrucksformen seiner Zeit spielt, zaubert seiner Zuhörerschar gleichsam ein Lächeln in die Ohren. Dabei imaginieren die einzelnen Bausteine der 4. Symphonie für sich betrachtet nicht unbedingt griechisch Schlankes, womöglich Graziöses. Die unsicher nach harmonischem Boden suchende Einleitung ebenso wenig wie die Akkord-Repetitionen und Paukenschläge, die sich um das überschwängliche Hauptthema ranken. Auch nicht die widerborstige Metrik des dritten Satzes, in dem genüsslich die Zwei gegen die Drei kämpft. Wie Beethoven aber mit den Prinzipien von Spannung und Lösung jongliert, wie er die Dramatik nie in Richtung Katastrophe steuert, sondern vorher lächelnd abbiegt, als sei dies alles nur ein Spiel, atmet eine Freiheit, wie sie in jenem sonnigen Griechenland gedeihen mochte, das in der literarischen Klassik Inbild unbeschwerten Glücks war. Und das musikalisch später von Mendelssohn heraufbeschworen werden sollte, der wohl nicht von ungefähr diese Symphonie für sein Antrittsdirigat am Leipziger Gewandhaus wählte.

In allen vier Sätzen der Vierten feiern die elementaren Kräfte von Rhythmus, Melos und Harmonik Triumphe in einem Spiel, dessen wichtigste Regeln sind: Nimm eine Idee und erfinde dann einen größtmöglichen Gegensatz. Dann lass die beiden sich aneinander entzünden, aber achte darauf, dass beide aus der Konfrontation heil und bereichert wieder hervorgehen. Diese Konfrontationen könnten heißen: „Suchen und Finden“ im ersten, „Melos und Motorik“ im zweiten, „gerade und ungerade“ im dritten, Linie und Geflecht im vierten Satz. Zu Lebzeiten Beethovens war die Vierte sehr beliebt, während sie heute ein gewisses Schattendasein zwischen den beiden „Nordlandriesen“ fristet. Wurde ihr die Leichtigkeit zum rezeptionsgeschichtlichen Verhängnis?

Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 4 B-Dur op. 60
Länge: 34 Min.

Foto: Autogramm von Beethoven (c) Deutsches Historisches Museum