Strauss: Metamorphosen für 22 Solostreicher

Strauss: Metamorphosen für 22 Solostreicher

Marita Ingenhoven
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Marita Ingenhoven

„Ich bin in verzweifelter Stimmung! Das Goethehaus, der Welt größtes Heiligtum, zerstört! Mein schönes Dresden – Weimar – München, alles dahin!“ Das Jahr 1945: Dresden brennt, die Welt des Richard Strauss fällt in Schutt und Asche, seine Wirkungsstätten sind Ruinen. Er holt eine Skizze aus dem Herbst 1944 hervor, auf die er „Trauer um München” notiert hatte, und beginnt zu komponieren. Nach nur vier Wochen schließt der 81-Jährige die Arbeit an diesem Werk ab, das er schließlich „Metamorphosen” nennt und bescheiden als „Studie für 23 Solostreicher” deklariert.

Von der Idee der Metamorphose ausgehend, stellt sich das Werk als unentwegte Variationskette dar: Drei Themengruppen sind einer fortlaufenden Verwandlung unterworfen und durch die sich verändernde Bewegung miteinander verknüpft. Ursprünglich als Septett geplant, wandte Strauss sich im Verlaufe der Arbeit dann aber einer größeren Besetzung zu, um die Klangfarben zu intensivieren und zu erweitern. Ein interessanter Akzent ist ein Zitat aus dem langsamen Satz der „Eroica“ Beethovens, einem ergreifenden Trauermarsch, das ganz am Ende in den Kontrabässen erklingt. Obwohl Strauss es angeblich unbewusst in sein Werk verwoben hat, scheint doch die Absicht hier Vater des Gedankens gewesen zu sein: Die „Metamorphosen“ sind nichts anderes als eine Trauermusik für die untergegangenen deutschen Städte und speziell deren Kulturtempel.

Dass der ehemalige Präsident der Reichsmusikkammer in den apokalyptischen letzten Wochen des Weltkriegs, in denen Abertausende ihr Leben ließen, seiner Trauerarbeit einen solchen Fokus setzt, mag einen zwiespältigen Beigeschmack haben. Der magischen, ungemein berührenden Kraft der Musik tut dies keinen Abbruch. Im hohen Alter hatte der Komponist mit diesem Werk, für das es in der Literatur keinen „Vorgänger“ gibt, noch einmal einen neuen Weg eingeschlagen. Zugleich sah er es als eine Art Resümee seines Daseins, oder, wie er sich ausdrückte, einen „Widerschein meines ganzen vergangenen Lebens“.

Richard Strauss: Metamorphosen für 22 Solostreicher
Länge: 26 Min.

Foto: Richard Strauss (c) Encyclopædia Britannica, Inc.