23. / 25. / 26. Mai 2025
Düsseldorfer Symphoniker
Nicolas Altstaedt Violoncello
David Reiland Dirigent
FR 23. Mai 2025 19:00 Uhr
Star Talk mit David Reiland
SO 25. Mai 2025 13:30 Uhr
Jazz Brunch mit Winnie Slütters
MO 26. Mai 2025 19:00 Uhr
Star Talk mit Nicolas Altstaedt
Claude Debussy (1862-1918)
Prélude à l'après-midi d'un faune
ca. 10 Minuten
zuletzt gespielt am 12.11.2024 unter Gordon Hamilton
William Walton (1902-1983)
Konzert für Violoncello und Orchester op. 68
I. Moderato
II. Allegro appassionato
III. Tema ed improvvisazioni
ca. 30 Minuten
Erstaufführung der Düsseldorfer Symphoniker
Pause
Maurice Ravel (1875-1937)
Daphnis et Chloé. Suiten aus der Ballettmusik
Suite Nr. 1
I. Nocturne
II. Interlude
III. Danse guerrière
ca. 12 Minuten
Zuletzt gespielt im Rahmen der kompletten Ballettmusik am 4.10.1981 unter Bernhard Klee
Suite Nr. 2
I. Lever du jour
II. Pantomime
III. Danse générale
ca. 19 Minuten
Zuletzt gespielt am 13.01.2020 unter Adrian Perruchon
Das Konzert am 23. Mai wird vom WDR mitgeschnitten und im Rahmen der Reihe »Städtekonzerte« zu einem späteren Zeitpunkt gesendet.
Debussy
Prélude à l’après-midi d’un faune
Es war ein sanftes, aber folgenreiches musikalisches Erdbeben, das sich am 22. Dezember 1894 in der Pariser Société Nationale de Musique zugetragen hat. Debussys »Prélude à l’après-midi d’un faune« wurde uraufgeführt und fand – selten genug bei einer Musik, die so sehr mit Traditionen bricht – beim Publikum viel Zuspruch. Erst später erkannten viele die Tragweite dieses Moments. Ravel bekannte: »Erst als ich zum ersten Mal ›L’après-midi d’un faune‹ gehört hatte, wusste ich, was Musik ist«. Und Pierre Boulez brachte die Innovationskraft des »Prélude« auf seine Weise auf den Punkt: »Mit der Flöte des Faunes hat die Musik neuen Atem zu schöpfen begonnen (…), man kann sagen, dass die moderne Musik mit ›L’après-midi d’un faune‹ beginnt.«
Was aber hat Debussy in diesen gerade mal 110 Takten Musik so anders gemacht als alle zuvor? Da ist zunächst ein zweifacher Verzicht: Das Stück folgt keinem der gängigen Formschemata, die den Hörer durch eine »logische«, auf Wiederholung, Variation und Kontrast fußenden Abfolge von Themen und Motiven an die Hand nehmen. Und es verzichtet darauf, Stephane Mallarmés Gedicht, das ihm zugrunde liegt, musikalisch nachzuerzählen. In dem Maße nun, in dem Debussy diese beiden Prinzipien in den Hintergrund treten lässt, schenkt er der Ausdifferenzierung des Klangs eine nie dagewesene Aufmerksamkeit. Das melodisch, harmonisch und metrisch labile Flötenthema, mit dem das Stück beginnt, ist dabei der Keim, aus dem sich alles entfaltet. Sein improvisatorischer Gestus gibt die Richtung vor. Einzelne seiner Elemente erscheinen durch freie Harmonisierung und eine luzide Instrumentation in immer wieder anderer Beleuchtung. Ein kompakterer Mittelteil verleiht der Musik vorübergehend etwas Bodenhaftung. Doch es bleibt der Eindruck des Schwebenden, der Jean Barraqué zu der Formulierung inspiriert haben mag, unter Debussys Händen würde die Musik zu einem »geheimnisvollen, rätselhaften Universum, das sich aus sich selbst erzeugt und wieder zerstört«.
Am Ende hat Debussy den Kern der Geschichte über den Faun, der sich an einem heißen Nachmittag seinen Begierden hingibt, aber abends gar nicht weiß, ob er das alles nur geträumt hat, kongenial getroffen. Er selbst hat das wunderbar paradox formuliert: »Genauer ausgedrückt ist es der allgemeine Eindruck der Dichtung.«
Walton
Konzert für Violoncello und Orchester
William Walton hat das Komponieren nie studiert. Er erhielt eine umfassende musikalische Ausbildung in Klavier, Geige und Gesang und begann schon mit zwölf Jahren, Lieder und Chorsätze zu schreiben. Während seines (unabgeschlossenen) Studiums in Oxford eignete er sich selbständig die Grundlagen des kompositorischen Handwerks so weit an, dass er sich an Größeres wagte. Und wie! Kaum ein Werk, das in England nicht gedruckt, aufgeführt und aufgenommen wurde. Große Aufmerksamkeit hat Walton allerdings von Anfang an vor allem in Großbritannien bekommen, was sich bis heute kaum geändert hat. Dabei gibt es viele Juwelen bei ihm zu entdecken: Die experimentell-jazzige Satire »Facade«, das Oratorium »Belshazzar‘s Feast«, viele seiner Orchesterwerke, seine Arbeiten für den Film, delikate Klavier- und Kammermusik und seine drei Solo-Konzerte (Violine, Viola und Violoncello) zeugen von einem außerordentlich beweglichen Geist, der sich versiert und mit großer poetischer Gestaltungskraft zwischen Tradition und Avantgarde bewegt hat.
Das Cellokonzert entstand 1956 auf der Insel Ischia im Golf von Neapel, auf der Walton mit seiner Frau seit 1946 teilweise, seit 1956 dauerhaft lebte. Italien war seit vielen Jahren schon seine große Liebe, besonders das Licht faszinierte ihn. Er konnte es sich mittlerweile leisten, nur noch auftragsbezogen zu komponieren, und als der legendäre Cellist Gregor Piatigorsky ihn um ein neues Konzert bat, sagte er sofort zu. Er schrieb das Werk im engen schriftlichen Austausch mit dem Solisten, der mit seinem Instrument um die Welt tourte – und der einen besonderen Wunsch hatte: »Mein neues Stradivari-Cello ist von solch unglaublicher Qualität, so dass ich einen besonderen Wunsch hätte für dieses Genie – ich fände es großartig, wenn ich einige Solostellen im Konzert bekommen könnte, ohne Begleitung anderer Instrumente«. Walton erfüllte diese Bitte gerne – zum Glück des Ganzen, denn es sind besonders auch die Solopassagen im zweiten und dritten Satz, die dem Konzert sein besonderes Gesicht verleihen.
Der atmosphärische erste Satz ist pure Poesie. Im kammermusikalisch transparenten Orchestersatz führt das Cello vornehmlich mit den Holzbläsern zarte, von mildem Licht durchflutete Zwiegespräche.
Auf die melancholische Stimmung dieses Satzes folgt ein rasantes Allegro appassionato als Scherzo. Hier erinnert manches an Strawinsky und Prokofjew, die Walton beide sehr verehrte. Der extrem virtuose Cellopart enthält einige kürzere, turbulente Solopassagen, in denen wie träumerische Enklaven Reminiszenzen an den ersten Satz aufscheinen.
Der bei weitem ungewöhnlichste Satz ist der letzte, ein langsamer Variationssatz – so lang wie die beiden ersten Sätze zusammen. Von den fünf Variationen sind die zweite und vierte für Violoncello solo. Das lyrische Thema schlägt den Bogen atmosphärisch zurück zum Beginn des Konzerts. Die erste Variation hat schon freie, improvisatorisch wirkende Anklänge, die sich in der zweiten voll entfalten. Furios, fast bombastisch fährt die kurze dritte Variation (für Orchester allein) in die Ruhe: Der erfahrene Komponist von Filmmusik lässt grüßen – so auch in der vierten Variation, aber im Modus der Sehnsucht. Die letzte Variation zitiert die hingetupften Wechselnoten des ersten Satzes und führt in ein zart glitzerndes Verklingen.
Immer wieder wurde vermutet, die reiche Farbpalette der auf Ischia entstandenen Musik Waltons sei der mediterranen Atmosphäre zu verdanken. Walton selbst aber sagte: »Ich glaube nicht, dass dies das Wesen meiner Musik grundlegend verändert hat. […] Ich muss sagen, dass ich niemals bewusst vom Klima oder der Landschaft Italiens angeregt wurde. Eigentlich hat meine Abwesenheit von Großbritannien, wenn überhaupt, meine Musik eher britischer gemacht, als es der Fall gewesen wäre, wenn ich daheim geblieben wäre.«
Ravel
Daphnis et Chloé
Maurice Ravel liebe Stilisierungen. Das Bild, das sich der Franzose baskisch-schweizer Abstammung vom klassischen Griechenland machte, heischte so wenig nach Authentizität, wie seine Gemälde- und Kunstsammlung Anspruch auf Echtheit erhob. Die musikalischen Fantasien dieses Künstlers kannten keinen akademischen Ehrgeiz, »richtig« zu komponiere. Sie wollten nicht originell im Sinne von »neu um jeden Preis« sein. Dennoch war Ravel alles andere als ein genialisch sprudelnder Tonvulkan, der verschwenderisch mit seiner Kunst hätte umgehen können. Als Mensch von rätselhafter Verschlossenheit, als Pianist von akribischer Genauigkeit, als Dirigent von aufreizender Nüchternheit, gehörte das, was er in Noten aufschrieb, zu jenem, was dem 20. Jahrhundert musikalisch Charakter und Gesicht verlieh.
Einmal mehr war es der legendäre russische Ballettimpressario Sergei Diaghilew, dessen Anregung Ravel »Daphnis et Cloé« zu verdanken hat. Die Ballets russes, seit 1907 mit Tschaikowskys, Rimski-Korsakows und anderer bezaubernd vertanzter Musik das kunstsinnige Paris regelmäßig in Begeisterungstaumel versetzend, inspirierten nahezu sämtliche Künste zu ungeahnten Höhenflügen. Nicht nur die Choreografie gewann als Umsetzung von Musik in Körpersprache neue Ausdrucksdimensionen dazu, auch Architektur, Malerei, Bühnenbild, Kostüme und Dekoration erlebten eine Revolution. Der menschliche Körper, befreit von engen wollenen Röcken und steifen Stehkragen, trainiert, beherrscht, »ertüchtigt«, avancierte zum ästhetischen Ideal, das sich direkt an der Klassik des Altertums – oder am Klassizismus orientierte.
1909 erging Diaghilews Auftrag an Ravel. Gemeinsam mit dem damaligen Chefchoreographen der Ballets russes, Michail Fokin, der den Hirtenroman des Longos von Lesbos aus dem 2. Jahrhundert zu einem Libretto verdichtet hatte, machte sich der Komponist an die Arbeit. Von Beginn an hatte er wie ein Maler die Dimensionen eines großen Freskos vor Augen, welche für ein optisch wirkungsvolles Ballett unabdingbar waren. Nicht unbedingt entsprach es Ravels Stil, mit breitem Pinsel aufzutragen. Im Gegenteil erfüllten seine Orchester- und Klavierwerke und auch seine Lieder fast sämtlich die selbstauferlegten strengen Kriterien von Materialökonomie, von striktem Fehlen einer redseligen Redundanz.
»Meine Absicht, als ich das Ballett schrieb, war, ein großes Freskogemälde zu komponieren, weniger auf Archaik bedacht als auf Treue zu dem Griechenland meiner Träume, das sich gern verwandt fühlt einem Griechenland, wie die französischen Künstler zu Ende des 18. Jahrhunderts sich vorgestellt und geschildert haben.«
Später nannte Ravel das Ballett nur noch »choreographische Symphonie in drei Teilen« und bekräftigte damit seine Intention nach bevorzugter Aufführung im Konzertsaal. Bereits vor der Uraufführung im Pariser Théâtre du Châtelet 1912 löste er etwa die Hälfte der Musik heraus und verdichtete sie zu zwei Suiten, die seitdem weltweit zum Repertoire der großen Orchester gehören.
Schon das »Nocturne«, mit dem die erste Suite beginnt, ist ein Klangfarbenwunder. Jedes Instrument wird auf die wirkungsvollste Weise behandelt. Über leise raunenden Bässen entfaltet sich eine dunkle Zauberwelt, aus der bei Tagesanbruch alles entstehen könnte. Ein kurzes Zwischenspiel führt in die fulminante »Danse guerrière«, in der – bei aller Transparenz – das riesige Orchester es auch mal richtig krachen lassen darf.
Die zweite Suite umfasst den letzten Teil der Komposition. Mit unbeschreiblicher Klangmagie beschwört Ravel einen Tagesanbruch mit aufgehender Sonne. In die prächtige Natur hinein erklingt das Lied der Nymphe Syrinx, welche elegant überleitet zu jener »Pantomime«, in der Daphnis und Chloé nach verschiedenen Irrungen und Wirrungen wieder vereint werden. Im orgiastischen Taumel der »Danse générale« gibt es kein Halten mehr, für nichts und niemanden.