02. / 04. / 05. Mai 2025
Düsseldorfer Symphoniker
Bassam Mussad, Trompete
Karen Cargill, Mezzosopran
Simon O’Neill, Tenor
Alpesh Chauhan, Dirigent
FR 02. Mai 2025 19:00 Uhr
Star Talk mit Alpesh Chauhan
SO 04. Mai 2025 13:30 Uhr
Jazz Brunch mit becker&band
MO 05. Mai 2025 19:00 Uhr
Star Talk mit Bassam Mussad und Kareem Roustom
Kareem Roustom (*1971)
Trumpet concerto
I. Largo lamentoso – decioso
II. Scherzando – sospeso
ca. 15 Minuten
Uraufführung, Auftragswerk der Tonhalle Düsseldorf
Gustav Mahler (1860-1911)
Das Lied von der Erde
I. Das Trinklied vom Jammer der Erde
II. der Einsame im Herbst
III. Von der Jugend
IV. Von der Schönheit
V. Der Trunkene im Frühling
ca. 63 Minuten
zuletzt gespielt am 12.01.2018 unter Adam Fischer
Roustom
Trumpet Concerto
Wie lange dauert es, bis ein Trompetenkonzert das Licht der Welt erblickt? Die Anfänge dieses Werks gehen auf das Jahr 2014 zurück. In diesem Jahr reiste ich mit dem West Eastern Divan Orchestra, das mit einem neuen Werk von mir auf Tournee war. Daniel Barenboim hatte es in Auftrag gegeben. Auf dieser Tournee war auch Bassam Mussad dabei, und so lernten wir uns kennen. Bassam war später der Trompeter bei der Uraufführung meines Violinkonzerts Nr. 1, das für Michael Barenboim und das Boulez Ensemble komponiert wurde, in Berlin 2019. Obwohl ich ihn nie gefragt habe, glaube ich, dass die Idee eines Trompetenkonzerts zu dieser Zeit in Bassams Kopf zu brodeln begann. Durch die Pandemie verzögerten sich die Dinge noch weiter, und erst im November 2021 begann die Idee, greifbare Formen anzunehmen. Alles in allem dauerte es also etwa elf Jahre, bis das Projekt verwirklicht wurde, obwohl ich sie zwischen September 2024 und Januar 2025 komponiert habe.
Es genügt zu sagen, dass ich, nachdem ich Bassam im Laufe der Jahre mehrfach auf seiner Trompete gehört habe, ein großer Bewunderer seines Spiels wurde. Das war vor allem bei der hervorragenden Aufnahme von Mahlers 5. Symphonie mit den Düsseldorfer Symphonikern unter Adam Fischer der Fall; da stand Bassam an der Spitze des Trauermarsches, kühn, klar und souverän. Die Gelegenheit, endlich ein neues Werk für Bassam und seine exzellenten Kollegen zu schaffen, war für mich daher sehr aufregend.
Das Trompetenkonzert ist in zwei Sätze gegliedert. Der erste Satz mit der Bezeichnung »Largo lamentoso« beginnt wie Mahlers Trauermarsch in der tiefen Lage der Trompete, steigt aber im Gegensatz zu Mahler schließlich zum hohen »C« auf. Die Eröffnungsfigur basiert auf einem Vier-Noten-Motiv: G, A, Dis, A. Die dritte dieser vier Noten steigt zu einem E-Natürlich an und wird oft mit dem Symbol »Z« begleitet, das ein besonders dichtes und hartes Tremolo in den Streichern und ein dichtes Frullato/Growl in der Solotrompete darstellt.
Die Stimmung in diesem Satz ist von großer klanglicher Weite und Ausdehnung geprägt; man beobachtet und spürt eine Landschaft der Trauer in so vielen Gebieten, in denen derzeit sinnlose Konflikte auf unserem Planeten herrschen. Der mit »Deciso« bezeichnete Mittelteil schreitet, angetrieben von der Solotrompete, in einer konvektiven Bewegung voran, bevor er zur Anfangstextur zurückkehrt. Ein letztes Zitat des Themas wird von der Bratsche vorgetragen, bevor eine tastende, gedämpfte Solotrompete den Satz beendet. Eine Geste, die nach einer Antwort sucht, die noch nicht gefunden werden kann.
Der zweite Satz trägt die Bezeichnung »Scherzando« und macht sich die historische Verbindung zwischen Trompeten und Pauken zunutze. Hier wird jedoch eine weitere Beziehung hergestellt, nämlich die zwischen Mann und Frau. Das melodische Hauptthema wird von den drei Fagotten und der Solotrompete in einer Art musikalischem »Ehegeplänkel« wiedergegeben. Dieses Hauptthema besteht aus zwei Teilen: einem rhythmischen Motiv (das lose auf einem arabischen Rhythmus namens maqsoum basiert) und einer aufsteigenden Skalarfigur. Im Mittelteil dieses Satzes werden diese beiden Elemente getrennt und nebeneinander erforscht, wobei die Solotrompete zwei verschiedene Arten von Dämpfern zur Farbgebung einsetzt. Schließlich kehrt das anfängliche Scherzando-Tempo zurück, wobei das Orchester dem Solisten eine gleichberechtigte Stimme gibt. Im Finale schließlich stehen alle drei Trompeten im Rampenlicht.
Es war mir eine große Freude, eng mit Bassam an diesem Konzert zu arbeiten, und ich fühle mich geehrt, dass ich die Gelegenheit habe, ein Werk für ihn und die Düsseldorfer Symphoniker zu schaffen.
Kareem Roustom
Mahler
Das Lied von der Erde
»Dunkel ist das Leben, ist der Tod«, heißt es in einer Zeile aus dem Gedichtband »Die chinesische Flöte«, einer Sammlung von Gedichten der chinesischen Tang-Dynastie aus dem 8. Jahrhundert. Gustav Mahler fielen die lyrisch zarten, tief melancholischen Verse in der deutschen Übertragung von Hans Bethge Anfang des neuen Jahrhunderts in die Hände – und sie gefielen ihm sehr. Seine Frau Alma berichtete, »er habe sie sich für später zurechtgelegt«. Jenes »Später« kam jedoch viel zu früh: Schon 1907, im Erscheinungsjahr der Gedichtsammlung, ereilten Mahler dumpfe Schicksalsschläge, die ihm das Herz brachen: Seine fünfjährige Tochter Maria erkrankte an Diphterie und starb binnen weniger Tage. Kurz nach ihrem Tod wurde dem Komponisten selbst ein unheilbares Herzleiden diagnostiziert, so dass auch sein Ende nahte. Mahler floh in die Arbeit und in die Einsamkeit der Berge, und »...jetzt überfielen ihn diese maßlos traurigen Gedichte, die er skizzierte [...] auf weiten einsamen Wegen, die Orchesterlieder, aus denen ein Jahr später »Das Lied von der Erde« werden sollte.«, so erinnerte sich Alma. Was Mahler an der fernöstlichen Lyrik interessierte, war weniger die Exotik ihrer Herkunft. Vielmehr zog ihn der übersinnlich-traurige Grundtenor der Gedichte magisch an. Gerade die Verskunst von Li-Tai-Po, dem bedeutendsten Autor in die »chinesische Flöte«, hatte es Mahler angetan: »Vergänglichkeit heißt das immer mahnende Siegel seines Fühlens.« So wundert es kaum, dass vier von den sechs Liedern auf seinen Gedichten basieren. In den dunklen Sommertagen der Jahre 1907/08 war Komponieren wohl das einzige, was Mahler gut tat, wie er selbst reflektierte: »Nun soll ich jede Anstrengung meiden, mich beständig kontrollieren, nicht viel gehen. Zugleich fühle ich in dieser Einsamkeit, wo ich nach innen aufmerksam bin, alles deutlicher, was in meinem Physischen nicht in Ordnung ist. [...] Zugleich mache ich eine sonderbare Bemerkung. Ich kann nichts als arbeiten.« Und Alma erinnerte sich: »Den ganzen Sommer arbeitete er fieberhaft an den Orchesterliedern. [...] Die Arbeit vergrößerte sich unter seinen Händen. Er verband die einzelnen Texte, machte Zwischenspiele, und die erweiterten Formen zogen ihn immer mehr zu seiner Urform – zur Symphonie. Als er sich darüber klar war, dass dies wieder eine Art Symphonie sei, gewann das Werk schnell an Form und war fertig, ehe er es dachte.«
Das Trinklied vom Jammer der Erde
(nach Li-Tai-Po)
Schon winkt der Wein im gold’nen Pokale,
Doch trinkt noch nicht, erst sing’ ich euch ein Lied!
Das Lied vom Kummer soll auflachend in die Seele euch erklingen.
Wenn der Kummer naht, liegen wüst die Gärten der Seele,
Welkt hin und stirbt die Freude, der Gesang.
Dunkel ist das Leben, ist der Tod.
Herr dieses Hauses!
Dein Keller birgt die Fülle des goldenen Weins!
Hier, diese Laute nenn’ ich mein!
Die Laute schlagen und die Gläser leeren,
Das sind die Dinge, die zusammen passen.
Ein voller Becher Weins zur rechten Zeit
Ist mehr wert als alle Reiche dieser Erde!
Dunkel ist das Leben, ist der Tod.
Das Firmament blaut ewig und die Erde
Wird lange fest stehen und aufblühn im Lenz.
Du aber, Mensch, wie lang lebst denn du?
Nicht hundert Jahre darfst du dich ergötzen
An all dem morschen Tande dieser Erde!
Seht dort hinab! Im Mondschein auf den Gräbern Hockt eine wildgespenstische Gestalt –
Ein Aff ist’s! Hört ihr, wie sein Heulen hinausgestellt
in den süßen Duft des Lebens!
Jetzt nehmt den Wein! Jetzt ist es Zeit, Genossen!
Leert eure gold’nen Becher zu Grund!
Dunkel ist das Leben, ist der Tod!
Der Einsame Herbst
(nach Qian Qi)
Herbstnebel wallen bläulich überm See;
Vom Reif bezogen stehen alle Gräser;
Man meint’, ein Künstler habe Staub von Jade
Über die feinen Blüten ausgestreut.
Der süße Duft der Blumen ist verflogen;
Ein kalter Wind beugt ihre Stengel nieder.
Bald werden die verwelkten, gold’nen Blätter der Lotosblüten auf dem Wasser zieh’n.
Mein Herz ist müde. Meine kleine Lampe
Erlosch mit Knistern;
Es gemahnt mich an den Schlaf.
Ich komm’ zu dir, traute Ruhestätte!
Ja, gib mir Ruh’, ich hab’ Erquickung not!
Ich weine viel in meinen Einsamkeiten.
Der Herbst in meinem Herzen währt zu lange.
Sonne der Liebe, willst du nie mehr scheinen,
Um meine bittern Tränen mild aufzutrocknen?
Von der Jugend
(nach Li-Tai-Po)
Mitten in dem kleinen Teiche
Steht ein Pavillon aus grünem
Und aus weißem Porzellan.
Wie der Rücken eines Tigers
Wölbt die Brücke sich aus Jade
Zu dem Pavillon hinüber.
In dem Häuschen sitzen Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern,
Manche schreiben Verse nieder.
Ihre seidnen Ärmel gleiten
Rückwärts, ihre seidnen Mützen
Hocken lustig tief im Nacken.
Auf des kleinen Teiches stiller
Wasserfläche zeigt sich alles
Wunderlich im Spiegelbilde,
Alles auf dem Kopfe stehend
In dem Pavillon aus grünem
Und aus weißem Porzellan;
Wie ein Halbmond steht die Brücke,
Umgekehrt der Bogen. Freunde,
Schön gekleidet, trinken, plaudern.
Von der Schönheit
(nach Li-Tai-Po)
Junge Mädchen pflücken Blumen,
Pflücken Lotosblumen an dem Uferrande.
Zwischen Büschen und Blättern sitzen sie,
Sammeln Blüten in den Schoß und rufen
Sich einander Neckereien zu.
Gold’ne Sonne webt um die Gestalten,
Spiegelt sie im blanken Wasser wider.
Sonne spiegelt ihre schlanken Glieder,
Ihre süßen Augen wider,
Und der Zephyr hebt mit Schmeichelkosen das Gewebe
Ihrer Ärmel auf, führt den Zauber
Ihrer Wohlgerüche durch die Luft.
O sieh, was tummeln sich für schöne Knaben
Dort an dem Uferrand auf mut’gen Rossen,
Weithin glänzend wie die Sonnenstrahlen;
Schon zwischen dem Geäst der grünen Weiden
Trabt das jungfrische Volk einher!
Das Roß des einen wiehert fröhlich auf
Und scheut und saust dahin;
Über Blumen, Gräser, wanken hin die Hufe
Sie zerstampfen jäh im Sturm die hingesunknen Blüten.
Hei! Wie flattern im Taumel seine Mähnen,
Dampfen heiß die Nüstern!
Goldne Sonne webt um die Gestalten,
Spiegelt im blanken Wasser wider.
Und die schönste von den Jungfrau’ sendet
Lange Blicke ihm der Sehnsucht nach.
Ihre stolze Haltung ist nur Verstellung.
In dem Dunkel ihres heißen Blicks
Schwingt klagend noch die Erregung ihres Herzens nach.
Der Trunkene im Frühling
(nach Li-Tai-Po)
Wenn nur ein Traum das Leben ist,
Warum denn Müh und Plag?
Ich trinke, bis ich nicht mehr kann,
den ganzen lieben Tag!
Und wenn ich nicht mehr trinken kann,
Weil Kehl und Seele voll,
So tauml’ ich bis zu meiner Tür
Und schlafe wundervoll!
Was hör ich beim Erwachenß Horch!
Ein Vogel singt im Baum
Ich frag ihn, ob schon Frühling sei,
Mir ist als wie im Traum.
Der Vogel zwitschert: »Ja! Der Lenz ist da, sei kommen über Nacht!«
Aus tiefstem Schauen lausch ich auf,
Der Vogel singt und lacht!
Ich fülle mir den Becher neu
Und leer ihn bis zum Grund
Und singe, bis der Mond erglänzt
Am schwarzen Firmament!
Und wenn ich nicht mehr singen kann,
So schlaf ich wieder ein,
Was geht mich denn der Frühling an?
Laßt mich betrunken sein!
Der Abschied
(nach Wang Wei & Meng Hao-Ran)
Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge.
In allen Tälern steigt der Abend nieder
Mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.
O sieh! Wie eine Silberbarke schwebt
Der Mond am blauen Himmelssee herauf.
Ich spüre eines feinen Windes Wehn
Hinter den dunklen Fichten!
Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel.
Die Blumen blassen im Dämmerschein.
Die Erde atmet voll von Ruh’ und Schlaf,
Alle Sehnsucht will nun träumen.
Die müden Menschen gehn heimwärts,
Um im Schlaf vergess’nes Glück
Und Jugend neu zu lernen!
Die Vögel hocken still in ihren Zweigen.
Die Welt schläft ein!
Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten.
Ich stehe hier und harre meines Freundes;
Ich harre sein zum letzten Lebewohl.
Ich sehne mich, o Freund, an deiner Seite
Die Schönheit dieses Abends zu genießen.
Wo bleibst du? Du läßt mich lang allein!
Ich wandle auf und nieder mit meiner Laute
Auf Wegen, die vom weichen Grase schwellen.
O Schönheit! O ewigen Liebens, Lebens trunk’ne Welt!
Er stieg vom Pferd und reichte ihm den Trunk des Abschied dar.
Er fragte ihn, wohin er führe und auch warum es müßte sein.
Er sprach, seine Stimme war umflort:
Du, mein Freund, mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold!
Wohin ich geh? Ich geh’, ich wand’re in die Berge.
Ich suche Ruhe für mein einsam Herz.
Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte.
Ich werde niemals in die Ferne schweifen.
Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!
Die liebe Erde allüberall
Blüht auf im Lenz und grünt aufs neu!
Allüberall und ewig
Blauen licht die Fernen!
Ewig... ewig...